Der „Husaclub“ ist ein Verbund engagierter junger Brünner Bürger, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen beschäftigen und dazu regelmäßige monatliche Diskussionen veranstalten. Die Diskussionsrunden finden einmal im Monat in der Brünner Kleinkunst-Bühne Theater „Husa na provázku“ (Die Gans auf dem Fädchen) statt. Der "Club“ bekennt sich zur Stadt Brünn, dem Leben in ihr, seiner Historie, seiner Entwicklung und seinen Zukunfts-Aspekten.
Am Mittwoch, dem 8. Januar 2013 fand ein Diskussionsabend unter der Überschrift „Wie spiegelt das heutige Brünn das deutsche Element wieder “ statt.
Die Gäste des Abends waren Jaroslav Ostrčilík (tschechisch-österreichisches Dialogforum) Hanna Zakhari (/Vorsitzende des Deutschen Kulturverbandes /Begegnungszentrums Brünn) und František Schildberger (Dichter und Historiker). Der Abend wurde durch Jan Hanák moderiert.
Als Gäste konnten ca. 50 Bürger begrüßt werden.
Die nachfolgende Zusammenfassung des Abends erstellte für uns Frau Dr. Ludmila Tučková.
Im Verlauf der Diskussion haben die eingeladenen Gäste ihre persönliche Beziehung zu der Stadt Brünn erläutert, teilweise auch aufgrund ihrer eigenen und der familiären Historie, Situation, Erlebnissen und Erfahrungen über den Zeitraum des vergangenen Jahrhunderts. Es waren ernste, teilweise schlimme, aber auch heitere Erinnerungen und tragikomische Erlebnisse. Sie zeigten die Wirklichkeit von Mischehen, aber auch Ereignisse des Jahrhunderte andauernden Zusammenlebens der tschechischen und der deutschen Bürger in Brünn.
Mit ihren Erfahrungen und Erlebnissen trugen auch die Zuschauer zur Diskussion bei.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Eskalation der Nationalitätenkonflikte in Brünn des ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Alle nachdenklich machte die Frage von Frau Zakhari an das Plenum, ob bzw. aus welchem Grund ist aus dieser Zeit kein Versuch einer De - Eskalation der sich steigernden nationalistischen Bewegungen ( und das nicht nur in Brünn) durch das Aufzeigen und Hervorheben gemeinsamer Interessen zu verzeichnen. Innerhalb der vielfältigen Antworten ist auch die Frage nach der grundsätzlichen Rolle der Intelligenz und der Eliten (Regierung, Politiker, Professoren, Akademiker, Geschäftsleute, Stadtverwaltung etc.) inmitten dieser Ereignisse eingeflossen.
Trotz der wiederholten Versuche des Moderators, die Diskussion auf die Gegenwart zu richten, zeigte sich deutlich, daß die deutsch-tschechische Vergangenheit mit allen ihren positiven und negativen Aspekten aus der Gegenwart nicht auszublenden ist. Daß ein einfacher „dicker Strich“ unter die Vergangenheit nicht zwangsläufig zur alleinigen Beschäftigung mit der deutsch-tschechischen Gegenwart führt, insbesondere da die Anzahl der Bürger deutscher Nationalität in den letzten Jahren geradezu minimal geworden ist.
Jaroslav Ostrčilík führte abschließend das erstaunlich wachsende Interesse der Brünner Öffentlichkeit an der gemeinsamen Vergangenheit auf, an den positiven Aspekten des ehemaligen Zusammenlebens, an dem kulturellen und wirtschaftlichen Beitrag der Brünner deutschen Bürger in den vergangenen Jahrhunderten.
Erinnert wurde auch u.a. auch an das Buch von Kateřina Tučková „Die Vertreibung der Gerta Schnirch“ als Beitrag der jungen Generation zur Suche nach Antworten zum gewaltsamen Ende des deutsch-tschechischen Zusammenlebens. František Schildberger bedauerte den Verlust der historisch gewachsenenen Brünner Zweisprachigkeit. Eine Einigung der Anschauungen erzielte der Moderator, Jan Hanak durch seine Frage nach den wichtigsten grundsätzlichen Werten für das Zusammenleben der Nationalitäten. Es sei vor allem Toleranz und die Notwendigkeit der Empathie gegenüber dem Anderen – in diesem Punkt waren sich die Gäste und die Zuhörer einig.
Dr. Ludmila Tučková, Januar 2013
František Schildberger ist Dichter, Publizist und Historiker. Zeitweise Redakteur der Brünner Redaktion der Lidové Noviny, politischer Komentator des Radio Proglas, Chefredakteur des inernet-Forums Skleněný kostel (die gläserne Kirche).
Jaroslav Ostrčilík studierte in Brünn Germanistik. Während seines Studiums organisierte er über mehrere Jahre hinweg den „Brünner Studenten-Mai“, eine Veranstaltungsreihe zur Erinnerung an die gemeinsame deutsch-tschechische Vergangenheit. Als Abschluß der kulturellen Veranstaltungen des Monats organisierte er alljährlich einen symbolischen Marsch Freiwilliger von Brünn nach Pohrlitz, auf den Spuren des einstigen Todesmarsches. Heute lebt und arbeitet er in Prag.
Hanna Zakhari stammt aus einer Brünner Familie, in der über mehr als ein Jahrhundert sowohl deutsch wie auch tschechisch gesprochen wurde. Ein Großteil der Familie wurde nach Kriegsende ausgesiedelt, einige wenige Familienangehörige durften bleiben. Hanna Zakhari hat ihren Hauptwohnsitz heute in Deutschland.
Der Moderator, Jan Hanák ist Priester in dem kleinen Ort Bohdalice auf der Hana, in der Nähe der Orte der ehemaligen Wischauer Sprachinsel. Darüberhinaus ist er aktiver Medienjournalist und erstellte bereits zahlreiche Dokumentationen zu offenen Themen der mährischen Gesellschaft und Historie. Er moderierte auch zahreiche Fernsehdiskussionen und Beiträge. Der Husaclub gilt als Nachfolger einer ähnlichen, unter dem Begriff „Kabinet Havel“ verlaufenden, 2009 abgeschlossenen Diskussionsreihe.